Es gibt Tiere, die sind so besonders, dass man lange über diese vierbeinigen Individualisten nachdenken muss – weil wir beeindruckt sind. Jule gehört dazu, denn sie ist „irgendwie“ anders als andere Schafe. Dieser kleine Pfiffikus war schon als Lamm außergewöhnlich, oder haltet ihr es für „normal“, wenn sich ein kleines Lamm mit Hunden anfreundet und lieber mit der Hündin Shana spielt, als mit ihren Schafkumpels? Ok, in den ersten Monaten hatte sie eigentlich nicht die Wahl, denn als Flaschenlamm geht man sowieso andere Wege. Das „Julchen“ ist schon was Besonderes, aber lest am besten selbst, was sie zu berichten hat.
Jule
Ich bin gerade umgezogen und hab schon so einiges erlebt, aber im Moment geht alles drunter und drüber, denn nach und nach verschwindet meine ganze Familie von der Weide. Neun Jahre war es unser Zuhause, wir haben nicht gerade in Saus und Braus gelebt, denn irgendwie hat der Bauer immer an uns sparen wollen, aber es war unser Zuhause. Sorry, eigentlich sollte ich mich erst mal vorstellen. Mein Name ist Jule und ich mag nicht nur meine Truppe, sondern auch Hunde, Pferde, Hühner und „Zweibeiner“ – einige zumindest.
Moment, Moment, ich kann grad nicht, der neue Bauer kommt, mit einem Eimer. Das Futter kannte ich noch gar nicht. Er schüttet es aus einem Sack in den Eimer und dann komm er zu uns. Schnell, schnell, damit mir die anderen das nicht alles wegfressen.
So, alles aufgefressen, wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei Pferden, Hühnern und Zweibeinern. Geboren wurde ich am 27.März 2007 in der Nähe von Hildesheim. Gleich nach meiner Geburt begannen bereits die ersten Abenteuer. Wir waren zwei Geschwister und ich die erste. Frisch geboren, stand ich sofort auf und tapste los. Wohin? dass wusste ich auch nicht, eben los in die Welt. Danach erblickte mein Bruder das Sonnenlicht. Nur dumm, als mich ein Zweibeiner wieder zurück brachte, erkannte mich meine Mutter nicht mehr und ich stand allein da. Das war hart. Mamma wollte nicht und die anderen Mütter auf der Weide waren auch nicht nett zu mir. In meinem Unglück, stand plötzlich „Zweibein“ Jasi vor mir. Sie nahm mich auf den Arm und brachte mich in eine fremde Welt. Ein Wunder, denn nun bekam ich zu meiner Mama, noch drei weitere dazu: Jasi, Christiane und die Hündin Shana. Was hatte ich für ein Glück, viele Mamas, Futter und Spielgefährten – doch meine Truppe fehlte mir schon.
Meine vierte Mama Shana
Was ich in den nächsten drei Monaten erlebte, waren spannende Abenteuer. Ich folgte ganz einfach immer meiner Shana und es machte riesen Spaß. Wir waren unzertrennlich, streiften gemeinsam über den Hof und entdecken gemeinsam viel wundersame Dinge.
Am liebsten lag ich in meiner Pferdebox und hatte das Futter für mich ganz allein. Morgens holte mich Shana zu Entdeckungstouren ab und abends machte ich mich in meiner Box zwischen all den Pferden „breit“. So hätte es immer weiter gehen können, wenn da nicht immer wieder die Frage aufkam: Ein Zweibeiner bin ich nicht, aber auch kein Hund oder Pferd. Irgendwas muss es da doch noch geben, die so aussehen wie ich. Nach drei Monaten, auf einer „Wandertour“ sah ich sie wieder und war ganz aufgeregt – meine Truppe.
Nach vier Wochen war es dann soweit, ich kam zurück in meine alte Familie. Der mächtige Bock kam gleich angedonnert und plusterte sich auf, als wolle er mir sagen: „Hey, du kennst mich ja noch, ich bin der Chef.“ Als frisch geborenes Baby hatte er mich einige Male böse angeboxt, doch nun beließ er es nur bei Drohungen. Ich musste vorsichtig sein, aber nach einigen Wochen war ich aufgenommen. Mit sechs Monaten ging es mir plötzlich ganz schlecht. Mir war schwindelig, ganz übel und bin aufgeblasen wie ein Fußball. Sollte es das wirklich schon gewesen sein? auch jetzt stand plötzlich wieder das „Zweibein“ Jasi vor mir, packte mich in ihre „Kutsche“ und fuhr zu einem „Gesundmacher“. Was soll ich sagen, nach einiger Zeit ging es mir wieder besser. Toll.
So vergingen wieder einige Jahre. Die Truppe war mein Zuhause, vom Bauern bekamen wir zwar wenig Futter, aber immer wenn er im Urlaub war, hatten wir eine gute Zeit, denn die „Zweibeiner“ Jasi und Christiane versorgten uns dann mit gutem Fressen. Diese Wochen waren für unsere kleine Welt besonders schön.
Nach einem Gebärmuttervorfall (wegen eines zu großen Babys) stach mir 2014 eine „bösartige“ Granne ins Auge. Ich konnte nichts mehr sehen und es hat schlimm gebrannt. Der Gesundmacher sagte: „Das Auge ist trüb und die Linse ist auch nicht mehr zu sehen, die Chancen stehen ehrlich gesagt nicht gut“. Auch da haben mir die beiden „Zweibeiner“ wieder geholfen. Sie kamen fünf Mal am Tag zu unserer Wiese und rieben mir etwas ins Auge. Ich hatte Glück, denn die Zweibeiner haben mein Auge gerettet – die Welt war wieder schön.
So lebten wir alle glücklich und zufrieden (bis auf das Futter) und hofften, dass alles immer so bleiben würde, bis …ja bis der „Chef“ abgeholt wurde. Wir haben uns nie sonderlich gut verstanden, aber er gehörte dazu. Irgendwas passierte, aber wir wussten nicht was. Es dauerte nicht lange, dann wurden auch Frieda, Tante Luise und meine Mutter abgeholt. Nun war ich mit vier Lämmern auf unserem Platz allein und machte ich mir Sorgen. Die Welt der „Zweibeiner“ ist schon komisch, jeder macht was anderes und nie sind sie zusammen, so wie wir.
Abschied
Während ich so über den Sinn des Lebens und die „Zweibeiner“ nachdachte, standen wieder drei auf unserem Platz. Meine zweite und meine dritte Mama und dann noch ein Fremder, der neuer Bauer. So wie ich sie verstanden habe (aber sie wissen natürlich nicht, dass ich sie verstehe). Sollte nun auch ich umziehen? Mein zu Hause verlassen? Ok, wenn Jasi und Christiane es sagen, muss es gut sein. Tschüss ihr Lämmer, ich muss auf Reisen gehen.
Mein neues Zuhause ist ganz anders, der Bauer gibt uns mehr Futter und die Herde ist viel größer. Ich vermisse meine alte Truppe, aber auch hier werde ich Freunde finden. Lotte und „26“ sind nett zu mir und der „Rest“? Na-ja, mit dem „Rest“ werde ich auch klar kommen.
Liebe Grüße aus Nienburg
Eure Jule
Viele Dank an: Jasemin Be, Christiane, Ramona Deppe, Franziska Rust, Daniela Wölki, Birte Bu, Birgit Rust, Siegrun Bettels und ganz vielen anderen, die sich um Jule gesorgt oder gekümmert haben. Von Jules alter Truppe lebt jetzt keiner mehr, aber dass verraten wir ihr nicht.
Mein Julchen. Schön geschrieben ? Eine wundervolle Zeit mit einem ganz besonderen außergewöhnlichen Schaf an die ich mich gerne erinnere. Es freut mich das sie ein so schönes Zuhause gefunden hat,wo sie hoffentlich noch einige wundervolle Jahre ihr Leben genießen kann.
Lg Jasi
Ja, das Julchen macht sich gut in meiner Truppe und kommt anscheinend auch super zurecht.
Das freut mich sehr, denn sie hat noch ein paar gute Jahre verdient.